Fragen und Antworten zum Thema Impfung

 

14 Impffragen an DDr. Wolfgang Maurer

Facharzt für Labordiagnostik und Impfexperte an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugend­heilkunde am AKH Wien

 

Immer wieder flammt die Dis­kussion zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern auf, zu­letzt vor wenigen Wochen, an­geheizt durch eine Masernepi­demie in Salzburg: Ist Impfen nützlich oder schädlich? Schützt die Spritze vor todbringenden Krankheiten oder ist jede Imp­fung nur eine Belastung des Or­ganismus? Ist die ganze Sache vielleicht nur Werbung für die Pharmaindustrie?

Die Motivation der Impfbefür­worter ist leicht auf den Punkt zu bringen: Warum krank wer­den, Komplikationen oder gar den Tod riskieren, wenn man sich durch eine Impfung schützen kann? Die Argumentation der Impfgegner ist hingegen vielfältig: Die Palette reicht von „Für ei­nen gesunden Menschen sind diese Infektionen harmlos und stärken das Immunsystem" bis hin zu den extremen Fällen von Sekten oder ganzen Gruppen, die Impfungen als „unnatürlich" kategorisch ablehnen. Im Rahmen des Salzburger Impftages, der im April stattgefunden hat, haben wir den Wiener Impfexperten DDr. Wolfgang Maurer zu einem Gespräch gebeten und ihn mit den häufigsten Argumenten der Impfskeptiker konfrontiert. Der Mediziner und Biochemiker, Facharzt für Labordiagnostik und Impfexperte an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugend­heilkunde am AKH Wien ist bekannt für seine pointierten Aus­sagen in der Impfdiskussion. („Die ganze Impfdiskussion ist kein .Glaubenskrieg' Die Impfgegner glauben, wir wissen.") Hier un­sere Fragen und seine Antworten, die wissenschaftliche Fakten gemischt mit gesundem Hausverstand so wiedergeben, dass auch Nichtexperten sie verstehen.

 

Warum sollte man sich denn überhaupt impfen lassen?

DDr. Maurer: Zum Zeitpunkt der Geburt ist das Immunsystem in einem so genannten „naiven Status" das bedeutet, es hatte noch keinen Kontakt mit krankmachenden Erregern. Um ein funktionierendes Immunsystem aufzubauen, muss es geschult werden. Das klappt am besten mit einer Impfung. Denn bei der Impfung werden die gleichen immunologischen Mechanismen aktiviert wie bei einer Infektion, nur dass man sich das Risiko der Krankheit spart. Impfen bedeutet Risikoreduktion, das sollte man rechtzeitig machen und frühzeitig, Babys sind nicht „zu klein" für die empfohlenen Impfungen. Beispielsweise sollte die Impfung gegen Pneumokokken ab dem 3. Lebensmonat durch­geführt werden, denn der Anteil der Fälle in den ersten 5 Le­bensjahren ist im zweiten Lebenshalbjahr besonders groß, da sollte das Kind schon geschützt sein.

 

Überlasten diese vielen Impfungen, noch dazu gleichzei­tig, so ein kleines Baby nicht?

DDr. Maurer: Nein. Selbst wenn man einem Menschen 100 Vak­zine (Impfstoffe) gleichzeitig verabreicht, wären nur 0,1% des Im­munsystems ausgelastet. Die 6-fach-lmpfung stellt für ein ge­sundes Baby und sein Immunsystem überhaupt kein Problem dar. Man kann das Immunsystem durch Impfen nicht überfor­dern. Eine Infektion mit einem einzigen Bakterium, das das Baby sehr leicht irgendwo aufschnappt, konfrontiert den Körper mit zirka 3.000 Antigenen. Alle Impfungen des aktuellen Impfplans zusammen, samt Windpocken und Rotaviren, enthalten 200 Antigene. Allein der Keuchhusten-Impfstoff, mit dem die Generation der Eltern der heutigen Babys geimpft wurde, enthielt 3.000 Antigene. Soll ich Ihnen noch ein hübsches Beispiel erzählen? Ein Gramm Erde, beispielsweise am Spielplatz, enthält 6.400 bis 38.000 Bakterienspezies, jede davon enthält mindestens 3.000 Antigene, das ergibt bis zu 100 Millionen Antigene pro Gramm Erde. Wenn das Immunsystem damit nicht zurechtkäme, wären jedes aufgeschürfte Knie und jedes Händchen voll verschluckter Sand eine Katastrophe. Da muss man sich bei 200 Antigenen durch die Impfungen wirklich keine Gedanken machen! Es ist eher ein Problem für das Baby, wenn der Nestschutz nachlässt (Anm.: Nestschutz bedeutet, dass mütterliche Antikörper über die Plazenta an das Baby weitergegeben werden und in der ersten Zeit nach der Geburt ein gewisser Schutz vor Erkran­kungen des Babys besteht) und es noch nicht geimpft ist. Die Antikörper in der Muttermilch haben primär mit Nestschutz nichts zu tun, schützen aber hauptsächlich vor gastrointestinalen Infektionen. Die biologische Halbwertszeit des Nest­schutzes beträgt 21 Tage. Das bedeutet, dass 3 Wochen nach der Geburt nur noch 50% Schutz bestehen und nach 4 Monaten nur noch 1,5%-spätestens da braucht das Baby dann sein eige­nes Immunsystem. Nestschutz ist auch nur relativ, keinen Nest­schutz gibt es bei Keuchhusten. Bei Masern wäre der Säugling vor Symptomen geschützt, nicht jedoch vor Infektion.

 

Was halten Sie von dem Argument, dass Kinderkrank­heiten Kinder positiv beeinflussen, natürlich zum Groß­werden dazugehören, dass beispielsweise Masern gut für die Entwicklung sind?

DDr. Maurer: Es gibt keine einzige Arbeit, die das zeigt. Merk­würdigerweise kommt dieses Argument immer bei Masern, es kommt nicht bei Tollwut oder bei invasiven Pneumokokken, nicht bei Tetanus-Infektionen. Es gibt keinen Sinn einer Erkran­kung beim Menschen. Der einzige Sinn, den Masern haben, ist der Erhalt der Spezies Masernvirus. Es ist in keiner Weise belegt, dass Kinderkrankheiten wichtige Entwicklungsschritte auslö­sen, und gerade bei Masern ist es auch ziemlich unwahrschein­lich, denn Masern gibt es erst seit ca.1.ooo Jahren, wahrschein­lich als Kulturfolge der Domestizierung des Rindes ist wegen der Stallhaltung und des nahen Kontaktes zu Kühen das Virus auf den Menschen übergesprungen. Das Masernvirus ist durch Tröpfcheninfektion (auch z.B. bei einem Gespräch, ohne dass man den anderen berührt) übertragbar. Evolutionär kann das al­so keinen Sinn haben, denn das ist viel zu kurz, was sind schon tausend Jahre?

Das mit dem Entwicklungsschritt nach oder auf­grund einer durchgemachten Maserninfektion kann man ganz leicht erklären: Wenn das Kind tage- oder wochenlang in den Seilen hängt und dann wieder gesundet, sehen die Eitern natürlich eine Entwicklung, das ist aber ganz normal und die hätte das Kind auch ohne die Erkrankung gemacht.

Ich hatte kürzlich ein Ge­spräch mit der Mutter einer ungeimpften 2,5-Jährigen: Das Argu­ment war, dass die ganze Familie durch die Krankheit profitiert, wenn sie das Kind durch die Krankheit be­gleitet. Meine eigene Familie profi­tiert dann, wenn wir in dieser Woche gemeinsam Schifahren gehen. Da ha­ben wirklich alle etwas davon. Ich sel­ber hatte Masern in der zweiten Klas­se und hatte dadurch 27 Fehltage, im zweiten Halbjahr Keuchhusten mit 45 Fehltagen. Meine (natürlich geimpf­ten) Kinder hatten durch ihre ge­samte 12-jährige Schullaufbahn nicht annähernd so viele Fehltage wie ich in einem einzigen Jahr durch zwei heute impfpräventable Krankheiten.

 

Manche Menschen fürchten, dass eine Impfung für den Körper belastender ist als die Erkrankung selbst, Stich­wort: „Masernimpfung löst Autismus aus" oder „Die vie­len Fälle von plötzlichem Kindstod (SIDS) hängen mit den vielen Impfungen zusammen".

DDr. Maurer: Das ist falsch. Zum Thema „Autismus und Imp­fung" gibt es 8 Studien inzwischen, es konnte absolut kein Zu­sammenhang zwischen Autismus und Impfung gefunden wer­den. Autismus ist eine Krankheit, die schon während der Schwangerschaft erworben wird und nichts mit der Impfung zu tun hat. Auch multiple Sklerose hat nichts mit einer Impfung zu tun. Im Falle von plötzlichem Kindstod kann man sogar sagen, dass Impfen vor SIDS schützt. Es gibt eine Studie, die besagt, dass 5% der Fälle von plötzlichem Kindstod undiagnostizierte Keuchhustenfälle sind. Die jungen Babys, die beispielsweise im Alter von 3 Monaten noch nicht gegen Keuchhusten geimpft sind, werden von den Eltern, die auch nicht mehr gegen Keuch­husten geimpft sind, angesteckt (80% dieser Kinder werden von den Eltern oder Geschwistern angesteckt) und können noch nicht richtig husten und hören einfach auf zu atmen. Wenn bei der Obduktion nicht nach Keuchhusten gesucht wird - das ist eine Spezialbestimmung -, bemerkt man es nicht - es handelt sich immerhin um 1 bis 2 Fälle pro Jahr in Österreich. Auch mit der Einführung der Haemophilus-B-lmpfung in Österreich kam es zu einem statistisch signifikanten Rückgang der SIDS-Fälle. Wir hatten im Jahr 2004 die höchste Rate an Durchimpfung mit der 6-fach-lmpfung (98% nach Zahl der verkauften Dosen) und die kleinste Zahl an Fällen von plötzlichem Kindstod, nämlich 14. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache, es kann also nicht sein, dass Impfen zu plötzlichem Kindstod führt.

 

Menschen fürchten sich, dass Kin­der Allergien kriegen, weil man ihr Immunsystem mit Impfen „durch­einanderbringt"

DDr. Maurer: Das Immunsystem wird nicht durcheinandergebracht durch ei­ne Impfung. Das ist eine völlig regulär ablaufende Reaktion des Immunsys­tems. Das häufige Vorkommen von All­ergien hat nichts mit Impfungen zu tun. Allergien oder Neurodermitis tre­ten bei Kindern meist dann auf, wenn schon einige Impfungen erfolgt sind, und dann wird das ganz schnell auf die Impfung geschoben, um einen Schul­digen zu finden. Ich z.B. würde gerade einem Neurodermitis-Kind auf jeden Fall eine Windpocken-Impfung anbieten, denn Kinder, deren Haut schon vorgeschädigt ist, haben oft schwerere Verläufe der Erkrankung und leiden dann sehr.

Auch Asthmakinder sollten jährlich gegen Influenza geimpft werden, da die Lunge schon genug mitmacht und dann nicht zusätzlich noch eine Grippe braucht. Grundsätzlich gilt, wenn Organe schon vorgeschädigt sind, sind sie durch Impfung noch mehr zu schützen, so braucht z.B. ein Leberkranker unbedingt eine Hepatitis-Impfung.

 

Das nächste Argument der Impfskeptiker: „Nicht ge­impfte Kinder erkranken auch nicht. Impfen ist daher sinnlos." Was sagen Sie dazu?

DDr. Maurer: Na ja, wer die Medienberichte in den letzten Wo­chen verfolgt hat, hat gesehen, dass das so nicht stimmt, in Salzburg ist eine halbe Schule an Masern erkrankt. Natürlich stimmt es, dass durch die so genannte Herdenimmunität bei In­fektionen, die nur den Menschen betreffen, ungeimpfte Kinder (auch die Kinder der Impfgegner) eine sehr viel geringere Wahr­scheinlichkeit haben, in einem bestimmten Zeitraum zu erkran­ken. In der Vorimpfära gab es beispielsweise bei Masern Ausbrüche alle zwei Jahre, heute haben sich die Abstände zwischen den Ausbrüchen auf 10 bis 12 Jahre vergrößert und dadurch ha­ben diese ungeimpften Kinder eine größere Chance ohne Ma­sernkontakt groß zu werden. Das ist aber dem Einfluss der Geimpften zu verdanken, das heißt, Ungeimpfte profitieren von den Geimpften, man nennt das Trittbrettfahrer.

 

Wie ist es mit der Sorge skeptischer Eltern, dass eine Impfung ja momentan gegen eine bestimmte Krankheit helfen möge, aber die Langzeitfolgen und Auswirkungen von Impfstoffen noch völlig unbekannt seien?

DDr. Maurer: Es mag ja sein, dass wir derzeit noch nicht wissen, ob 90-Jährige, die vor 89 Jahren gegen Masern geimpft wurden, noch immun sind. Aber das ist bei jedem Arzneimittel so, dass Langzeitstudien einfach ihre Zeit brauchen. Bei vielen Impfstof­fen haben wir aber schon Langzeitstudien, die Masernimpfung beispielsweise gibt es seit 40 Jahren und es sind keine Negativ­folgen bekannt, was sollte das auch sein? Was stellt man sich an negativen Folgen vor? Das müsste ja eine Ursache haben. Die stark gestiegene Scheidungsrate kann ja keine Folge davon sein, dass wir vor Jahrzehnten mit der Masernimpfung begonnen haben  ...

 

Durchgemachte Erkran­kungen bringen lebenslan­ge Immunität. Eine Imp­fung muss alle paar Jahre aufgefrischt werden?

DDr. Maurer: Bei Masern ist das noch nicht so ganz klar. Es ist sicher, dass der Impfschutz weit länger als 40 Jahre hält, die Daten von 40 Jahren ha­ben wir. Wir haben noch nicht die Daten von 90 Jahren, aber die Schutzdauer der Masernimp­fung reicht aus, um Masern global auszurotten, dann können wir mit der Masernimpfung aufhören. In Amerika und Australien zirkuliert das Masernvirus nicht mehr, das heißt, wir haben jetzt schon zwei Kontinente, wo es keine Masern mehr gibt. Und hät­ten wir keine Reisenden, könnten diese Länder aufhören, gegen Masern zu impfen.

Zum Thema „lebenslange Immunität nach durchgemachter Erkrankung" da muss ich ironisch etwas über­spitzt formulieren: Ja, aber wenn man an der Erkrankung stirbt, ist das Leben halt auch nicht sehr lang. Und wenn man Masern mit einem Gehirnschaden überlebt, dann ist man zwar sein Le­ben lang immun gegen Masern, aber die Lebensqualität hält sich arg in Grenzen.

 

Zum Thema Masern: Es war so viel die Rede von „Masern­partys" und dass es völlig harmlos sei, an Masern zu er­kranken. Was stimmt denn nun?

DDr. Maurer: Eines gleich vorweg: Masernpartys, also Veranstal­tungen, wo Kinder extra hingebracht werden, damit sie sich mit Masern anstecken, sind strafbar, das steht im Strafgesetzbuch unter Paragraph 178, Stichwort:„Handlungen, die die Verbreitung einer Epidemie begünstigen ..." usw. Wenn jemand, der HIV-posi­tiv ist, jemanden wissentlich ansteckt, wird er ja auch verurteilt. Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit. Einer von 1.ooo Masernkranken stirbt, und das gilt für Länder, die eine intensiv­medizinische Versorgung haben - in Entwicklungsländern ist die Sterberate noch viel höher. Hierzulande sind 1920 noch 3% eines Jahrganges an Masern gestorben. Wer an Masern stirbt, stirbt an Masern-Lungenentzündung, an Gehirnentzündung, an Herz-Kreislauf-Problemen. Masern verursachen eine Immunsuppression (verminderte Wirksamkeit des Immunsystems) ähnlich wie HIV für ca. zwei Monate nach der Erkrankung, und dann kann schon eine einfache bakterielle Lungenentzündung sehr schnell tödlich enden. Ursächlich wird diese Lungenentzündung dann meist nicht auf die Masernerkrankung zurückgeführt - nur ohne Masern hätten diese Patienten keine Pneumonie be­kommen.!

Bis 2 Patienten pro 1.ooo Masernfälle erkranken an ei­ner durch das Masernvirus verursachten Gehirnentzündung, jeder Vierte davon stirbt, bei einem Drittel der Überlebenden bleibt ein Dauerschaden zurück, man nennt das Defektheilung. Wenn Sie mich fragen, hat sich durch eine Gehirnentzündung noch nie jemand intellektuell ver­bessert.

 

Und wie gefährlich ist die Masernimpfung?

DDr. Maurer: Zirka 6% der Geimpften bekommen Fieber zwischen dem 7. und 12. Tag nach der Impfung, am häu­figsten an Tag 9 oder 10, dann, wenn sich die Impfviren maximal vermehren. Fieber tritt aber im Gegensatz dazu bei 100% der Kinder auf, die an Masern erkranken.

Der von Eltern so gefürchtete Fieberkrampf tritt statistisch be­trachtet 33-mal pro 100.000 Impfungen auf, pro 100.000 Ma­sernerkrankungen gibt es hingegen 7.000 Fieberkrämpfe. Der Unterschied ist, dass solch ein Fieberkrampf durch die Impfung (obwohl es schrecklich aussehen kann) medizinisch folgenlos ist, ein Fieberkrampf, der durch Masern verursacht ist, kann in eine Enzephalitis (Gehirnentzündung) münden. Statistisch ge­sehen riskiert man durch die Masernimpfung einen medizinisch folgenlosen Fieberkrampf, hat dadurch aber 8 Maserntote ver­mieden. Diese Nutzen-Risiko-Abwägung ist ganz eindeutig aufseiten des Nutzens. Zirka 6% der Geimpften erkranken an Impf­masern, das ist eine abgeschwächte Form der Masernerkran­kung - und die dürfen sich eigentlich freuen, denn sie wissen, dass die Impfung garantiert gewirkt hat und dass sie jetzt ge­gen Masern geschützt sind. Schwerere Masernverläufe, wie z.B. die hämorrhagischen Masern, gibt es beim impfen nicht. Das Masernimpfvirus verursacht im Gegensatz zur durchgemach­ten Masernerkrankung auch keine subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE, gefürchtete Spätkomplikation nach Masern­infektion. SSPE zählt zu den slow virus infections und führt durch Entzündung des Gehirns und Entmarkung der Nerven zupsychischen Störungen, Demenz, Muskelkrämpfen, epilep­tischen Anfällen und schließlich unweigerlich zum Tod). 16 Fälle von SSPE haben wir in Österreich aus den 30.000 Masernfällen der Jahre 1994 bis 1996 diagnostiziert, 14 davon sind schon ge­storben, ein Patient liegt auf der Wachkomastation, einem geht es den Umständen entsprechend so halbwegs.

 

Sind Ihnen Todesfälle nach einer Masernimpfung be­kannt?

DDr. Maurer: Global gab es in 40 Jahren insgesamt 5 Todesfälle nach einer Masernimpfung. Alle diese Patienten wiesen eine schwere Immundefizienz (Funktionsstörung des Immunsys­tems} auf und hätten eigentlich gar nicht geimpft werden dür­fen. Tragisch daran war, dass bei diesen Babys die Immundefizi­enz noch nicht diagnostiziert war, weil sie so jung geimpft wur­den. Deshalb ist es gut, dass in Österreich erst ab dem vollen­deten ersten Lebensjahr geimpft wird. Zu diesem Zeitpunkt, mit diesem Alter sind solche schweren Fälle von Immundefizi­enz immer schon diagnostiziert - wobei man sagen muss, dass das sehr selten vorkommt, wir sprechen von maximal 2 bis 3 Fällen pro Jahr in Österreich. Sonst ist mir kein einziger Fall be­kannt.

 

Wie steht Österreich im internationalen Vergleich da? Gibt es bei uns mehr oder weniger Masernfälle als in an­deren Ländern?

DDr. Maurer: Österreich steht im internationalen Vergleich punkto Masern gar nicht gut da. Nehmen wir als Beispiel Bolivien, das ist ein relativ armes Land in Südamerika. Bolivien hat wie Öster­reich etwa 8-9 Millionen Einwohner, dabei aber dreimal so viele Kinder - und es gibt in Bolivien seit 5 Jahren keinen Masernfall, bei uns gibt es etliche tote Kinder. In Gesamtamerika gibt es kei­ne Masern, das Virus zirkuliert dort seit 2002 nicht mehr, es gab letztes Jahr in Gesamtamerika mit 903 Mio. Einwohnern 165 Ma­sernfälle, die alle irgendwoher eingeschleppt wurden, vor allem aus Europa. In den USA dürfen Kinder keinen Kindergarten besu­chen, wenn sie nicht gegen Masern geimpft sind.

 

Warum macht man das in Österreich nicht so?

DDr. Maurer: Das hat man bisher nicht so gemacht. Das Argu­ment ist meist, dass Zwänge Widerstände schaffen, die nicht nötig sind. Wir versuchen eben, mit schlüssigen Argumenten zu überzeugen. Alles, was ich Ihnen erzähle, ist evidenzbasiert, das finde ich auch ganz wichtig, dass die Menschen richtige und korrekte Information erhalten. Aber zurück zu den Masern: In Ländern, wo das nach dem amerikanischen Vorbild gemacht wurde, beispielsweise im benachbarten Tschechien, gibt es Ma­sern nicht mehr. Nochmal zum Argument dass Masern die Ent­wicklung fördern: In Finnland gibt es seit 20 Jahren keine Ma­sernfälle mehr, und dass man den finnischen Kindern Entwick­lungsrückstände gegenüber den österreichischen Kindern vor­werfen könnte, ist ja wohl nicht der Fall, Stichwort PISA-Studie  ...

 

Letzte Frage: Was sagen Sie zu dem Argument, dass Imp­fen doch nur Geschäftemacherei der Pharmafirmen sei?

DDr. Maurer: Das ist kein gutes Argument. Die wahre Geschäf­temacherei für die Pharmafirmen sind die Krankheiten. Masern bringen der Pharmaindustrie mehr Umsatz als die Masernimp­fung. 1 Euro in die Masernimpfung investiert bringt 22 Euro Er­sparnis hinsichtlich der Kosten der Masernbehandlung.